Clemens Tönnies hatte seine Dankesworte da schon formuliert. Auch er gab sich angriffslustig. Allerdings nicht gegen seine Kritiker – sondern gegen die Bundesliga-Konkurrenten. „Ich möchte mich ab sofort um diejenigen kümmern, die in der Tabelle vor uns stehen – und nicht um die dahinter“, erklärte der Aufsichtsrats-Chef unter lautem Beifall der Mitglieder des FC Schalke 04.
Eine Siegerpose oder eine Geste des Triumphes zeigte Tönnies nach seiner Wiederwahl in den Aufsichtsrat allerdings nicht. Allenfalls ein stolzes, wohl auch erleichtertes Lächeln, dass ihm 5367 oder 56,81 Prozent der 9447 stimmberechtigten Mitglieder ihre Stimme gegeben hatten, lag auf seinem Gesicht. Ein kleiner Denkzettel für den umstrittenen Amtsinhaber war dieses Ergebnis sehr wohl.
Goßmann kann nicht überzeugen
Andreas Goßmann (55), der im Vorfeld als aussichtsreicher Herausforderer von Tönnies gehandelt wurde, konnte nicht überzeugen. Er setzte sich zu lange mit den gegen ihn im Wahlkampf erhobenen Vorwürfen auseinander und bekam nur 1680 Stimmen. Auch Michael Stallmann (56), nach eigenem Bekunden kein großer Redner, blieb blass – und mit 2565 Stimmen chancenlos. Wirklich zittern musste Tönnies, der in den vergangenen Monaten heftig mit seinen Gegnern gestritten hatte, also nicht. Die Grabenkämpfe, die schon an Selbstzerfleischung gegrenzt hatten, sollen von nun an der Vergangenheit angehören. „Ich stelle mich dem Dialog mit allen kritischen Fans, um die Gräben endlich zuzuschütten“, hatte Tönnies schon in seiner Wahlrede gesagt – nach seinem Sieg ergänzte er: „Ich will den Kritikern die Hand reichen. Lasst uns zusammenstehen! So wie es in der letzten Strophe unseres Vereinsliedes heißt.“ Eine Entschuldigung des Aufsichtsrats-Mitglieds Dr. Andreas Horn, der ihn aus dem Amt drängen wollte, nahm Tönnies aber noch nicht an.
Vereinen statt spalten – das soll das neue Motto auf Schalke sein. Dafür steht vor allem Peter Lange, der sogar noch 317 Stimmen mehr verbuchen konnte als Tönnies. „Eine besondere Verpflichtung“ sei dieses Ergebnis für ihn, sagte Lange (60), der sich vor allem dafür stark machen will, die zerrissene Fanszene wieder an einen Tisch zu bringen. Es ist ja nicht so, als wenn auf Schalke nun alle Konflikte beigelegt wären. Es gibt aber Argumente dafür, dass sich der Traditionsverein wieder auf einem guten Weg befindet. „Der FC Schalke 04 ist groß und stark. Er will den sportlichen Erfolg“, sagte Peter Peters. Der Finanzvorstand unterstrich, dass Schalke große Fortschritte bei der wirtschaftlichen Konsolidierung macht: „Wir zahlen jedes Jahr 10 oder 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten zurück. Wir haben große Werte geschaffen. Unsere Gegner mögen uns Schuldenklub nennen. Aber das stimmt nicht mehr.“ 2019, so versichert Peters, wird die vor 15 Jahren bezogene Arena abbezahlt sein.
Jugend rückt enger an Profis heran
Sportlich hingegen gibt es Nachholbedarf. „Es fehlt ein wenig die Gesamtstrategie“, beklagte der neue Sportvorstand Christian Heidel. Ein Lösungsansatz: „Wir haben vielleicht die beste Nachwuchsabteilung Deutschlands. Ich will die Knappenschmiede mit der Profi-Abteilung noch enger verzahnen“, kündigte Heidel an. Der ehemalige Mainzer schwärmte von der „unglaublichen Energie“ des Vereins, „doch diese gilt es zu bündeln“. Und zwar mit einem neuen Wir-Gefühl. Heidel: „,Typisch Schalke‘ muss in Zukunft für etwas anderes stehen als bisher. Wir müssen auf Siege hoffen und nicht Niederlagen erwarten. Wir packen es gemeinsam an.“
Dieser Appell kam bei den Mitgliedern gut an, noch einmal erhoben sie sich von den Stühlen. Am Ende bekam der neue Manager noch mehr Applaus als alle Aufsichtsräte. Nur Willys Trompete blieb dieses Mal stumm.